Caritas reagiert auf sozialethische Kritik
Caritaspräsident Peter Neher hat Kritiker*innen seines Verbands eine „sozialethisch verengte Bewertung“ vorgeworfen. Mit Blick auf Vorwürfe aus der deutschsprachigen Sozialethik forderte Neher dazu auf, die Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands zu respektieren, die sich gegen einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Altenpflege ausgesprochen hatte. Eine ordnungsgemäß getroffene demokratische Entscheidung könne auch aus ethischen Gründen nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden.
„Die Tarifautonomie in Frage zu stellen, weil das Ergebnis in diesem Fall als problematisch erachtet wird, ist einer Organisation, die sich der Regeltreue und der Transparenz verpflichtet, nicht angemessen. Deshalb ist auch von katholischen Sozialethiker_innen der Respekt vor den Entscheidungen in einer paritätisch besetzten Kommission zu erwarten […].“
Caritaspräsident Peter Neher
Zugleich räumte Neher ein, dass er die Kritik nachvollziehen könne. Die Kommission habe eine höhere Entlohnung von Pflegekräften verhindert und dadurch der Glaubwürdigkeit der Caritas und der katholischen Kirche geschadet. Wie die Sozialethiker*innen und viele Verbandsmitglieder habe er selbst sich ein anderes Abstimmungsergebnis gewünscht. Es komme nun darauf an, die Arbeitsbedingungen in der Pflege auf anderem Wege zu verbessern, etwa durch eine grundlegende Pflegereform.
Am 04. März 2021 hatten 17 Sozialethiker*innen in einer gemeinsamen Stellungnahme die Caritas dazu aufgefordert, ihre Entscheidung zu revidieren. Aus Sicht der Unterzeichnenden, darunter eine Reihe von Mitgliedern der AG Christliche Sozialethik, beschädigt der von der Arbeitgeberseite maßgeblich vorangetriebene Beschluss die Rolle des Caritasverbands als gemeinwohlorientierter Akteur.
Die von der Arbeitgeberseite vorgetragenen Begründungen können nicht überzeugen. Als ‚Dienstgeber‘ hat sie sich an die niedrige Untergrenze des bestehenden Pflegemindestlohns gewöhnt. Diese schränkt ihre ‚unternehmerische Freiheit‘, sofern sie diese zulasten ihrer Beschäftigten nutzen wollen, weniger ein als ein brancheneinheitlicher Tarifvertrag mit stärkeren Mindestbedingungen. […]
In diesem Sinne fordern die unterzeichnenden Personen […] vor allem die Arbeitgeberseite auf, ihre Entscheidung zu revidieren. […] Sie möchten die Beschäftigten ermutigen, ihren ‚Dienstgebern‘ machtvoll entgegenzutreten und die Unterstützung ihrer Caritas für einen einheitlichen Tarifvertrag Altenpflege zu erstreiten.
Stellungnahme der Sozialethiker*innen